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Breaking News: Der Kram kostet eigentlich ganz schön viel

berndschmidl.substack.com

Breaking News: Der Kram kostet eigentlich ganz schön viel

Hohe Preise sind nicht unbedingt schlecht

Bernd Schmidl
Jun 14, 2022
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Der folgende Text ist eine Übersetzung dieser Kolumne von Douglas Rushkoff

Ja, die Benzinpreise sind hoch. Letztens an der Tankstelle sah ich eine Frau, die ihren alten Kombi volltankte und über 90 Dollar dafür bezahlte.

„Aua!“, sagte ich zu ihr lächelnd.

„Diese verdammte Inflation wird noch unser Ende sein“, antwortete sie und fügte hinzu „Let‘s go Brandon,“ (und sie meinte damit, dass Joe Biden dafür verantwortlich gemacht werden sollte) als sie los fuhr.

Dass die Benzinpreise so hoch sind, hat natürlich weniger mit Joe Biden oder dem Krieg in der Ukraine zu tun und mehr mit der Ölindustrie selbst. Während Corona fuhren die Leute weniger mit dem Auto und nahmen so gut wie nie das Flugzeug, also haben die Ölproduzenten ihre Förderung zurückgefahren. Jetzt, wo wir alle wieder aktiver werden, steigt auch die Nachfrage. Aber das Angebot wird noch einige Monate brauchen, um diese Nachfrage zu bedienen. Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot steigen die Preise.

Ölproduzenten nutzen die Krise aber auch aus. In einem Umfeld mit geringerem Angebot sollten sie weniger profitieren. Aber indem sie Wucher betreiben hatten sie einige ihrer profitabelsten Jahre überhaupt. Das Geld wird dabei nicht verwendet, um hohe Preise zu decken, sondern geht direkt an die Aktionäre. (Siehe Naomi Klein‘s Die Schock-Strategie wie solch ein „Desaster Kapitalismus“ funktioniert.) Das ist ein verzerrter, korrupter Markt auf dem Preise von Unternehmen opportunistisch orchestriert werden. Diese Unternehmen werden übrigens mit 20 Milliarden Dollar Steuergeld pro Jahr subventioniert.

Ein großer Teil der restlichen Inflation kommt aus ähnlichen Dynamiken. Während Corona fuhren viele Fabriken runter. Das hat die Preise nicht wirklich beeinflusst, da die Leute ohnehin weniger Kram kauften. Jetzt, da die Leute zurück in den Geschäften sind (einige davon mit Unterstützungsschecks von Trump und Biden), übersteigt die Nachfrage das Angebot. Zumindest im Moment. Das wird sich wieder legen.

Die längerfristige Entwicklung, die eventuell nicht so schnell vorübergehen wird, ist, dass die Leute nicht einfach so in ihre Jobs zurückkehren wollen. Nachdem sie die letzten zwei Jahre in Zoom Meetings verbracht haben oder den Kundenservice für ihren Arbeitgeber von zu Hause aus über das Telefon erledigt haben oder sich Geld angespart haben oder sich um ihre Liebsten gekümmert haben, kehren viele Arbeitende nur recht widerwillig zurück in die Büros, die Geschäfte oder die Fabrik. Es ist umständlich, viel Aufwand und in vielen Fällen noch immer ein Gesundheitsrisiko.

Die Leute haben meist keine Gewerkschaften, die für sie kämpfen, dennoch möchten sie besser bezahlt werden. Ja, der echte Grund warum Dinge teurer werden ist, dass die Leute, die sie herstellen oder die nötigen Ressourcen dafür fördern oder sie dann transportieren fair für ihre Arbeit bezahlt werden wollen. Und jetzt, wo China seine eigenen Probleme mit den Lockdowns hat, schrumpft auch das Angebot von „Billiglohnkräften“ welches den Lohn für amerikanische Arbeitende unterminiert hat.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass viele Produkte billiger sind als sie es sein sollten. Ich verrate jetzt mein Alter aber als ich noch ein Kind war haben die Leute weniger Kram gekauft und länger behalten. Mein Dad hat das Transistorradio, das er sich beim Eintritt in die Army gekauft hatte, behalten bis er starb. Ich höre mir heute noch Baseball-Spiele auf diesem Radio an. Es geht nicht bloß darum, dass all der Kram früher besser hergestellt wurde, sondern auch, dass wir nicht daran gedacht hätten etwas zu kaufen, was wir einige Jahre später wegwerfen würden. Das waren unsere Gartenstühle, unser Gartenschlauch, unsere Salatschüssel und so weiter.

Die Dinge haben, relativ zu unserem Einkommen, wohl mehr gekostet aber das machte keinen wirklichen Unterschied, weil wir viel weniger Dinge gekauft haben. Und wir haben diese Dinge immer nur einmal gekauft. Das machte es möglich, dass Arbeitende mehr bezahlt bekamen, was sie dazu motiviert hat länger in ihren Jobs zu bleiben, was dazu geführt hat, dass sie eine höhere Kompetenz in ihren Jobs hatten, was zu qualitativ höherwertigen Produkten geführt hat, die länger hielten. Wenn wir uns etwas nicht leisten konnten, sparten wir für ein paar Wochen oder Monate bis wir es uns leisten konnten. Wir hatten kein Problem mit den Preisen, da wir verstanden, dass das nun mal der Preis war um dieses Ding auch herzustellen.

Also ja, wir erleben gerade alle einen Preisschock in unserem Alltag. Früher billige Autos kosten jetzt so viel wie ein Einsteigermodell von BMW. Das ist der Preis, den wir zahlen, wenn Angestellte und keine Leiharbeiter arbeiten und wenn wir nicht mehr dazu in der Lage sind die sozialen und ökonomischen Kosten zu auszulagern. Und wenn wir nicht mehr auf Sklavenarbeit aus den sogenannten „Entwicklungsländern“ zurückgreifen können.

Die Aktienmärkte hassen Inflation; Leute mit viel Geld hassen Inflation. Aber Leute mit Schulden können auch profitieren, da die Dollar, die sie zurückzahlen müssen, jetzt einfacher zu haben sind als zu dem Zeitpunkt, als sie sie ausgeborgt haben. Die wahren Opfer der Inflation sind die Armen, ältere Menschen und andere mit einem fixen Einkommen. Die Preise steigen, aber - anders als Arbeitende mit steigendem Lohn - verändert sich ihr Einkommen nicht. (Der Umstand, dass ihr Essen, Wasser und andere lebensnotwendige Dinge durch Spekulationsmärkte zu teuer für sie werden ist ein trauriger Fakt unseres scheiternden und brüchig gewordenen Sozialhilfesystems - und eine Diskussion für einen anderen Beitrag.)

Zum Glück werden die von uns, die jetzt weniger kaufen (weil es zu teuer ist) mehr Zeit haben um sie mit den wahren Opfern der Inflation zu verbringen und für sie etwas zu tun. Weniger Karten zum Fußballspiel oder fürs Kino bedeuten mehr Gartenpartys zu Hause, zu denen wir sie einladen können. Weniger Benzin im Tank bedeutet, dass wir mehr Ansporn haben unsere Zeit in der Nachbarschaft zu verbringen und denen zu helfen, die Hilfe brauchen.

Die Preise steigen zwar aber die Kosten, um sich gegenseitig zu unterstützen werden mit jedem Tag weniger.

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Douglas Rushkoff schreibt eine wöchentliche Kolumne für Medium. Rushkoff ist der Autor von 20 Büchern über Medien, Technologie und Gesellschaft. U.a. „Media Virus“, „Present Shock“ und „Throwing Rocks at the Google Bus“. Sein letztes Buch, „Team Human“, wird auf Medium in wöchentlichen Fortsetzungen veröffentlicht. Rushkoff ist Schöpfer und Gastgeber des Podcasts „Team Human“ und schreibt graphic novels.

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Bildquelle: Juliano Costa auf Unsplash

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